Berlin,Forschung,Kunst,#VisitBerlin,1948 Unbound

Theorie, Forschung, Kunst 30.11. bis 2.12. 2017

Veröffentlicht von

Forschung und Kunst ergründen Entfesselung der technischen Gegenwart

 

Berlin-1948 Unbound: Forschung und Kunst ergründen Entfesselung der technischen Gegenwart

Internationale Forscher_innen und Künstler_innen treffen sich vom 30.11. bis 2.12. 2017
zu einer experimentellen Konferenz in Berlin am Haus der Kulturen der Welt, um gemeinsam Bedeutung und Implikationen der „Technosphäre“ zu ergründen. Die These: Menschengemachte Technik prägt heute die Natur unseres Planeten.

Was charakterisiert die Technosphäre? Wie verändern Gentechnik und digitale Infrastruktur unsere Gesellschaft? Durch welche Ereignisse und Wandlungen sind neue Beziehungen zwischen Mensch und Maschine entstanden und wie sehen diese heute und zukünftig aus? Was bedeuten technische Strukturen im Vergleich zu natürlichen Organismen für den Planeten Erde? Auf diese und weitere Fragen wollen die über vierzig Wissenschaftler_innen, Theoretiker_innen, Praktiker_innen und Künstler_innen in einem einzigartigen, transdisziplinären Ansatz am HKW Antworten finden und neue, imaginative Denkräume eröffnen.

Zu den Protagonisten gehören Forscher_innen wie der Informatiker und Kognitionswissenschaftler Seth Bullock, der Rechtswissenschaftler Oscar Guardiola-Rivera, die Soziologin Elena Esposito, der Genforscher Alexander Tarakhovsky, die Medien- und Kulturwissenschaftlerin Marie-Luise Angerer, der Chemiker und Philosoph Jens Soentgen, die Wissenschaftshistorikerin Sophia Roosth und der Medien- und Designtheoretiker Benjamin Bratton. Die Kunstszene repräsentieren unter anderem die Künstlerin und Aktivistin Morehshin Allahyari, die Künstlerin und Designerin Patricia Reed, die Künstler_innen knowbotiq und der Künstler und Autor Gerald Nestler.

Das auf fünf Jahre angelegte Technosphere 2015-19 Projekt knüpft inhaltlich an das Anthropozän-Projekt des HKW an und lotet das Paradigma eines menschengemachten Zeitalters und seiner Konsequenz für Naturwissenschaften, Kultur, Politik und Alltag unter besonderer Akzentuierung der Technik weiter aus. Der Mensch formt die Natur. Dies ist der Kern der Anthropozän-Hypothese. Die dreitägige Veranstaltung 1948 Unbound schlägt den Bogen von dem historisch markanten Sprung in der Entwicklung unseres Planeten als zunehmend technischer Handlungsraum über die, durch Digitalisierung und Zukunftstrends wie künstliche Intelligenz geprägte, Gegenwart bis hin zu Zukunftsszenarien im Jahre 2048.

Der Beginn der „Great Acceleration“ um das Jahr 1948 als Ursprung des atomaren, digitalen und petrochemischen Zeitalters markiert in dieser Betrachtung zugleich den Beginn des Anthropozäns: Kleinste Bausteine – Moleküle, Gene, Informationseinheiten – werden manipulierbar und berechenbar und entfachen eine kaskadenartige Dynamik der technologischen und kulturellen Entfesselung. Kybernetik, die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Erfindung des Transistors, der Große Stalin-Plan zur Umgestaltung der Natur: Auf dem Schutthaufen von zwei Weltkriegen gedeihen technopolitische Formationen und Träume von neuen Universalismen.

Das Format der experimentellen Konferenz 1948 Unbound am 30.11.-2.12.2017 verbindet theoretische Diskussion mit künstlerischen, perfomativen Formaten und Forschung mit experimenteller Installation. Ausgehend von fünf grundlegenden Bauelementen unserer Gegenwart, die gleichsam für wissenschaftliche Bereiche wie Informationstheorie, Gentechnik, Petrochemie, Spieltheorie oder Finanzökonomie stehen, untersuchen die Beteiligten die Pfadabhängigkeiten, die uns Menschen seit dem Jahr 1948 ebenso ermächtigen wie entmachten, und entwerfen Zukunfts-Szenarien für die Welt von morgen.

Konzept von Katrin Klingan, Christoph Rosol, Nick Houde und Janek Müller in Zusammenarbeit mit Gerald Nestler (Switches), Alexander Klose und Benjamin Steininger (Hydrocarbons), Victoria Ivanova und Patricia Reed (Tokens) und Sascha Pohflepp (Chance).


Mit: Morehshin Allahyari (Künstlerin, Aktivistin), Marie-Luise Angerer (Medien- und Kulturwissenschaftlerin), Elie Ayache (Wirtschaftswissenschaftler, Philosoph), Anil Bawa-Cavia (Informatiker), Josh Berson (Anthropologe), Benjamin Bratton (Medien- und Designtheoretiker), Seth Bullock (Informatiker, Kognitionswissenschaftler), Katrina Burch aka Yoneda Lemma (Archäologin, Komponistin), Luis Campos (Wissenschaftshistoriker), continent. (Publikationskollektiv), Anna Echterhölter (Kulturtheoretikerin), Elena Esposito (Soziologin), Thomas Feuerstein (Künstler), Alexander R. Galloway (Literatur- und Medienwissenschaftler), Johnny Golding (Philosophin, Künstlerin), Oscar Guardiola-Rivera (Rechtswissenschaftler), Orit Halpern (Soziologin, Anthropologin), Dieter Hiller (Umweltmanager für unkonventionelle Rohstoffe), Bernd Hopfengärtner (Spekulativer Designer), Alexander Ilitschewski (Schriftsteller), Victoria Ivanova (Kuratorin, Kulturtheoretikerin), Alexander Klose (Kulturwissenschaftler), knowbotiq (Künstler_innen), Stephanie LeMenager (Literaturwissenschaftlerin, Ökologin), Boaz Levin (Künstler), Giuseppe Longo (Mathematiker, Informatiker), Nahum (Künstler, Musiker), Gerald Nestler (Künstler, Autor), Julian Oliver (Künstler, Ingenieur), Tea Palmelund (Designerin), Sascha Pohflepp (Künstler), Patricia Reed (Künstlerin, Autorin), Sophia Roosth (Wissenschaftshistorikerin), Sarah Sharma (Medienwissenschaftlerin), Helena Shomar (Bio-Ingenieurin), Jens Soentgen (Chemiker, Philosoph), Felix Stalder (Medientheoretiker), Benjamin Steininger (Kultur- und Medientheoretiker), Alexander Tarakhovsky (Genforscher), Vera Tollmann (Kulturwissenschaftlerin), Ubermorgen.com (Künstler_innen, Aktivist_innen), Inigo Wilkins (Kulturwissenschaftler), Kathryn Yusoff (Humangeografin)

 


Programm
Donnerstag 30.11.

19–23h Switches   |  Informationstheorie, Computation 

Switches widmet sich dem Siegeszug der binären Informationstechnik. Was 1948 mit elektronischen Schaltungen begann, ist heute eine digitale Sphäre, die bis in alle Winkel der Erde hineinreicht. Diagnostische und spekulative Beiträge aus Theorie, Kunst und Synthese oszillieren in schnellem Wechsel um das Bit als Steuerungseinheit und Taktgeber eines neuen Koordinationsverhältnisses von Raum und Zeit, Evolution und Kontrollverlust.

Diskursive Installation

Freitag 1.12.

15 – 18.30h Seeds  |  Gentechnik, Agrartechnik

Seeds bringt die Manipulierbarkeit von Vererbung, Leben und Umwelten zur Sprache. Eine Kette intensiver Gespräche untersucht die Praktiken und Ideologien des seit 1948 beschleunigten Zusammenfalls von Mutation und Modifikation. Eine Performance beschwört in Form von Mikro-Prozessionen historische und aktuelle Momente der agrarisch-industriellen Technosphäre.

Gespräche, Präsentationen, Performance

19.30–22.30h Hydrocarbons  |  Petrochemie

Die technische Rekombination von Kohlenwasserstoff-Molekülen sowie das Prinzip der Katalyse, die Steuerung und Beschleunigung chemischer Reaktionen, legen die Grundsteine für die Erdölchemie, die um das Jahr 1948 zur dominierenden Industrie wird. Hydrocarbons diskutiert die petrochemische Verschwendung und kombiniert dafür Sequenzen aus dem Film Lohn der Angst (1953), Öl-Tonspuren und diverse Forschungsmaterialien zu einem neuen kulturellen Genre des „Pétro Noir“.

Filmische Mehrkanal-Installation, Gespräche, Präsentationen

Samstag 2.12.

15–18h Tokens  | (Krypto-)Währungssysteme, Standards, Staatlichkeit

Tokens thematisiert die faktische Wirkmacht universeller Umlaufsysteme wie Währungen oder materieller wie virtueller technischer Standards. Theoretische und künstlerische Beiträge konturieren in einer grafisch-diskursiven Szenerie die Rationalität einer auf ewig zirkulierenden Gegenwart.

Präsentationen, Gespräche, Performance

19.30–22.30h Chance  |  Zufallszahlen, Simulationen, Spieltheorie

Zufallszahlen sind die fundamentale Zutat für die mathematische Modellierung und  Simulation von Prozessen und Systemen. Sie befähigen uns zu Vorhersagen über die Natur der Welt und ihr zukünftiges Gesicht. Chance ist ein Experiment, in dem der Zufall selbst zur Technik wird.

Visuell-performatives Experiment

Donnerstag 30.11. – Samstag 2.12.
Extending the Dialogue about the Technosphere
Videoinstallation des Kollektivs continent.

Do 30.11.– Sa 2.12. Nachmittagsticket (15–19h) 6€/4€
Abendticket (19–23h) 6€/4€
Tagesticket Fr 1.12., Sa 2.12. 10€/6 €
Dreitagesticket 20€/12€

en ←→ de Alle Veranstaltungen mit Simultanübersetzung


1948 Unbound findet als Projekt von Technosphere 2015-19 im Rahmen von 100 Jahre Gegenwart statt. 100 Jahre Gegenwart wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Technosphere 2015–19 kooperiert mit der Publikationsplattform continent.
Die Performance von knowbotiq wird gefördert von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstifung.
Das Haus der Kulturen der Welt wird durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch das Auswärtige Amt gefördert
.

Weitere Informationen:
www.hkw.de/1948 

Quelle: Haus der Kulturen der Welt und Foto: Foto: Sebastian Bolesch / HKW