Deutsche Bank Kunst Hallezeigt erste Retrospektive
des indischen Künstlers Bhupen Khakhar Die Deutsche Bank KunstHalle zeigt vom 18. November 2016 bis zum 5. März 2017 mit Bhupen Khakhar:
You Can’t Please All die erste Überblicksausstellung des indischen Künstlers – zugleich die zweite Präsentation im Rahmen der Zusammenarbeit der KunstHalle mit der Tate Modern in London.
Bhupen Khakhar (1934–2003) spielte eine zentrale Rolle in der modernen Entwicklung der indischen Kunst. Der Autodidakt malte das, was vor ihm noch niemand gezeigt hatte: den Alltag der indischen Mittelschicht, aber auch intime Szenen aus seinem eigenen Leben. Gemeinsam mit Anish Kapoor nahm er 1992 als erster indischer Künstler an der documenta in Kassel teil.
Dennoch ist Khakhar in Deutschland kaum bekannt. Die Deutsche Bank KunstHalle zeigt nun die erste posthume Überblickschau, kuratiert von Chris Dercon und Nada Raza, die zuvor in der Tate Modern zu sehen war. Sie ist Teil einer Ausstellungskooperation zwischen der KunstHalle und Tate Modern, die Werke von wichtigen Künstlern aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten erstmals in Berlin vorstellt.
Khakhar wurde auch international als bedeutender Protagonist der Malerei des 20. Jahrhunderts wahrgenommen. Er begann in den 1960ern künstlerisch zu arbeiten und gehörte bald der Künstlerbewegung Baroda School an, die neue Formen der Erzählung und der Figuration in die moderne, indische Kunst einbrachte. Obwohl ausgebildet und angestellt als Wirtschaftsprüfer, entwickelte Khakhar eine künstlerische Karriere auf der Grundlage seines intensiven Studiums südasiatischer und europäischer Kunst.
Nach frühen Experimenten mit der Pop Art, wandte Khakhar sich davon ab und brachte einen ganz eigenwilligen Malstil hervor, der scheinbare Gegensätze wie Hoch- und Massenkultur, Alltagsleben und Malereigeschichte verband und so die bestehende Ikonografie subversiv unterlief. Mit viel Mut befasste er sich mit komplexen und provokanten Themen: Klassenunterschiede, Begehren und Homosexualität und seinen eigenen Kampf gegen den Krebs.
Die Schau vereint Werke aus fünf Jahrzehnten aus internationalen öffentlichen und privaten Sammlungen, darunter auch Arbeiten aus der Sammlung Deutsche Bank. Khakhars Werke waren zu Lebzeiten regelmäßig in und außerhalb Indiens zu sehen, so 1992 auf der documenta IX in Kassel. Die Retrospektive präsentiert neben bekannten Gemälden und Arbeiten auf Papier auch selten gezeigte Werke, darunter Keramiken und Textilarbeiten.
Zur Ausstellung ist bei Tate der gleichnamige Katalog erschienen, unter anderem mit Beiträgen von Ranjit Hoskote, Shanay Jhaveri, Geeta Kapoor, Nada Raza, Adrian Rifkin, Vivian Sundaram und Katrin Zitzewitz. Er ist im ArtShop der KunstHalle erhältlich.
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Common Affairs
Revisiting the VIEWS Award –
Contemporary Art from Poland
21.07.2016 – 30.10.2016
Bhupen Khakhar: You Can’t Please All
18. November 2016 – 5. März 2017
Sein meisterlicher Umgang mit der Farbe, sein eigenwilliger Stil, die mutige und schonungslose Auseinandersetzung mit Themen wie Klasse und Sexualität haben Bhupen Khakhar nicht nur zu einem der wichtigsten Protagonisten der indischen Gegenwartskunst gemacht. Auch international ist er eine Schlüsselfigur der Malerei des 20. Jahrhunderts. Diese Ausstellung ist die erste Retrospektive seit Khakhars Tod 2003. Sie vereint Werke des Künstlers aus fünf Dekaden und aus Sammlungen rund um den Globus. Dazu gehören ebenso viele seiner bedeutendsten Gemälde wie auch Arbeiten auf Papier und experimentelle Keramiken. Khakhars Werk wurde erstmals 1982 in der Tate gezeigt, in der bahnbrechenden, von Howard Hodgkin kuratierten Ausstellung »Six Indian Painters«. Im Jahr 2001 folgte in der Tate Modern die Gruppenausstellung »Century City«.
1934 in Bombay (heute Mumbai) geboren, stammt Khakhar aus einer Gujarati sprechenden Familie der unteren Mittelschicht. Die Erwartungen an ihn waren hoch. Als erstes männliches Mitglied seiner Familie hatte er die Möglichkeit zu studieren und ließ sich zum Wirtschaftsprüfer ausbilden. Damit sollte er eine Laufbahn in einer Firma einschlagen, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Khakhar zog es jedoch an die Faculty of Fine Arts an der Maharaja Sayajirao University, ein wichtiges künstlerisches Zentrum in Baroda (heute Vadodara). Hier machte er seinen Masterabschluss in Kunstkritik und wurde Teil einer eng vernetzten Gruppe von zeitgenössischen Künstlern, die nach neuen Ausdrucksformen suchte. Bis er sich künstlerisch etablieren konnte, arbeitete Khakhar viele Jahre in Teilzeit als Wirtschaftsprüfer.
Nach frühen Experimenten mit Malerei und Collage, in denen er die volkstümlichen visuellen Welten des Tempels an der Straßenecke oder der Verkaufsstände für Betelblätter aufgriff – gewann Khakhar Vertrauen in sein Können als Maler. Die alltäglichen Dinge, wie massenhaft reproduzierte Götterbilder oder billige Souvenirs von Straßenständen, die Khakhar sammelte, inspirierten ihn zu einer völlig eigenwilligen Bildsprache: Die grellen Farben, die er einsetzte, seine eher ungelenke Figuration, das Interesse an der Massen- und Straßen Ästhetik, seine Sympathie für die Bildwelt der einfachen Leute – mit Witz und Hintersinn rebellierte Khakhar gegen den »guten Geschmack« der Oberschicht. Genauso wie er Massenkultur mit künstlerischer Ästhetik verschmolz, griff er auch die unterschiedlichsten kunsthistorischen Einflüsse mit Leichtigkeit auf. Die Bandbreite reichte von indischer Miniaturmalerei und religiöser Ikonografie über Henri Rousseau und die Sienesische Malerei des 14. Jahrhunderts bis hin zur Pop Art. Mit seinem ansprechenden figurativen Stil entwickelte sich Khakhar zu einem der bedeutendsten Vertreter einer neuen Strömung von narrativer Malerei und Figuration, die sich von den in Bombay und Delhi vorherrschenden abstrakten modernistischen Stilen distanzierte.
Zu seinen frühen Gemälden gehören individuelle Porträts, wie Hathayogi (1970) mit seinen stechenden Augen, oder Bilder von Handwerkern und Händlern (The De-Lux Tailors von 1972 und Barber’s Shop von 1973). Seine »Händlergemälde« sind mitfühlende und detaillierte Darstellungen einfacher Männer aus der Arbeiterklasse – eine kritische Reaktion auf die ethnografischen Gemälde der Company School, die er im Rahmen seines Masterstudiums gesehen hatte. Während diese von den Verwaltern des britischen Kolonialreichs in Auftrag gegeben wurden, um die Einwohner Indiens wissenschaftlich zu klassifizieren, wurden sie in Khakhars Werk gefeiert und als Persönlichkeiten abgebildet. Man with a Bouquet of Plastic Flowers (1975) schildert zum Beispiel die Welt eines bürgerlichen Mannes, der ein Polyesterhemd und einen Blumenstrauß trägt – Blumen, die wie Khakhar nicht ohne Ironie bemerkt, »für immer halten«.
In Baroda gehörte Khakhar zu einer vitalen Gemeinschaft von Künstlern und Autoren, die sich in seinem Haus trafen und Ideen austauschten. Khakhar verbrachte sechs Monate als »Artist in Residence« der Bath Academy of Art und festigte während dieser Zeit seine Verbindungen zu zeitgenössischen britischen Künstlern wie Howard Hodgkin. Nach seinem Europaaufenthalt malte er 1981 das wegweisende Werk You Can’t Please All, das einen lebensgroßen, nackten Mann auf einem Balkon zeigt, der die Figuren aus einer alten Fabel von Aesop beobachtet. Dieses Bekenntnisbild steht für Khakhars Coming Out und verweist auf die persönlichen Schwierigkeiten, mit denen er sich zu dieser Zeit konfrontiert sah.
Khakhar war von Gandhi beeinflusst und fühlte sich dessen Leitprinzip der Wahrheit verpflichtet. Er sprach schwierige Themen, wie die schwule Lebenswelt im sich schnell wandelnden Indien, mit Aufrichtigkeit, Sensibilität und Humor an. Werke wie Two Men in Benaras, 1987, zeigen ohne Scham Männer beim gleichgeschlechtlichen Sex. Das großformatige Diptychon Yagnya—Marriage (2000) schildert den traditionellen Ritus und das dazugehörige Fest in einer Kleinstadt mit zwei Männern, die den klassischen Segen erhalten, während kleinere Aquarelle wie Flower Vase (1999) und Grey Blanket (1998) auf sehr persönliche Weise Zärtlichkeit und schwules Begehren zum Ausdruck bringen.
Als Schriftsteller und Bühnenautor war Khakhar dem Geschichtenerzählen und einer genauen Darstellung der Welt verpflichtet. Er arbeitete mit Salman Rushdie an einer speziellen Edition von zwei Geschichten, für die Khakhar eine Serie von Holzschnitten anfertigte. Gegen Ende seines Lebens schuf Khakhar Werke, die seinen sehr persönlichen Kampf mit dem Krebs thematisierten. Arbeiten wie Bullet Shot in the Stomach (2001) und At the End of the Day the Iron Ingots Came-Out (1999) zeigen die Realität eines Lebens mit der Krankheit in der für Khakhar charakteristischen Schonungslosigkeit auf. Mit dem für ihn so typischen schwarzen Humor thematisiert das letzte Werk in der Ausstellung, das kleine goldfarbene Gemälde Idiot (2003), auf ergreifende Weise die menschliche Verletzlichkeit. Ein kranker, leidender Mann erleichtert sich in einen Schuh, wobei ein Schaulustiger auf ihn zeigt und lacht. Und während er das Gesicht vor Schmerzen verzieht und verzweifelt versucht, den letzten Rest seiner Würde zu bewahren, unternimmt der Mann doch den Versuch, zu lächeln.
© Karol Radziszewski / Deutsche Bank KunstHalle |
Common Affairs
Revisiting the VIEWS Award –
Contemporary Art from Poland
21.07.2016 – 30.10.2016
Kuratoren der Ausstellung: Chris Dercon, designierter Intendant der Volksbühne Berlin, und Nada Raza, Research Curator, Tate Modern
Öffnungszeiten
Unter den Linden 13 / 15
10117 Berlin
T. 030 / 20 20 93 0
F. 030 / 20 20 93 20